„Man kann ruhig etwas Falsches anfangen. Wenn man behutsam weitermacht, kann man es steuern, und es wird richtig.“
Sten Nadolny, Netzkarte
Der BDA möchte mit den jungen Kollegen in einen Öffentlichen Diskurs treten, über die Geheimnisse eines steten und im besten Sinne merkwürdigen Prozesses: Dem Gestalten und Umgestalten unserer Umwelt. Geben wir dem gemeinsamen Diskurs einfach einen Namen: MetaMorphose.
Unter diesem Titel hat der BDA Baden-Württemberg den Hugo-Häring-
Nachwuchspreis 2015 für Architekturstudierende der Hochschulen in Baden-
Württemberg ausgelobt.
Unter dem Überbegriff MetaMorphose wurden Entwürfe eingereicht, die sich
mit der Umnutzung und Transformation von Gebäuden und städtischen Räumen
beschäftigten. Im Mai tagte die mit Stefan Behnisch, Stuttgart, Andreas Cukrowicz,
Bregenz, Prof. Jörg Friedrich, Hamburg, Thorsten Gutbrod, Stuttgarter Wagenhallen,
Petra Stephan, Chefredakteurin AIT, hochkarätig besetzte Jury. Bei der Auswahl
der Preisträger bewertete die Jury nicht nur die fertigen Entwürfe, sondern
gleichwertig auch den Weg dorthin. Es wurde ein Preis und eine lobende Erwähnung
vergeben.
Am 22. Juni 2015 wird die Ausstellung aller eingereichten Arbeiten im WECHSELRAUM mit einer Podiumsdiskussion eröffnet.
PODIUMSDISKUSSION UND VERNISSAGE: Montag, 22. JUNI 2015, 19 Uhr
Begrüßung: Alexander Vohl, BDA Landesvorsitzender Baden-Württemberg
Einführung: Prof. Jörg Friedrich, pfp Architekten, Hamburg
Präsentation der ausgezeichneten Arbeiten:
Christian Schechinger, Biberach, und Christian Gansemer, Stuttgart
Podiumsdiskussion: mit Stefan Behnisch, Stuttgart, Prof. Jörg Friedrich, Hamburg,
und Thorsten Gutbrod, Stuttgarter Wagenhallen, und den Preisträgern.
Moderation: Petra Stephan, Chefredakteurin AIT.
AUSSTELLUNG: 23. Juni bis 17. Juli 2015,
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-13 Uhr und 15-18 Uhr
Wechselraum Bund Deutscher Architekten BDA
Zeppelin Carré (Innenhof), Friedrichstraße 5
70174 Stuttgart, T +49 (0)711 6404039 F -602950
info@wechselraum.de
www.wechselraum.de
Zur Vernissage erscheint eine Broschüre, in der alle eingereichten Arbeiten dokumentiert werden.
Hugo-Häring-Nachwuchspreis
Das Schuehaus-Projekt, Biberach an der Riß
Christian Schechinger, Biberach
Das Schuehaus-Projekt will dem Prozess der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen
Stadtbild, Architektur und Kulturraum durch eine kraftvolle Intervention im scheinbar
statischen Raumbild des wichtigsten identifikativen Merkmales der Stadt Biberach,
des Marktplatzes, überraschend Gesicht verleihen.
Die dreitägige Schuehaus-Installation visualisierte das abgerissene Krämerhaus an
derselbigen Stelle und verdeutlicht damit, dass sich eine lebendige Stadt ständig im
Wandel befindet. Dieser Wandel wird von im Wind wehenden Tüchern, welche die
Silhouette des alten Schuehauses nachbilden und von zwei Kränen,die die Struktur
festhalten, symbolisiert. Beide Elemente werden mit Wandel und Veränderung
assoziiert.
Begründung
Die Arbeit überzeugt die Jury in ihrem ganzheitlichen architektonischen Konzept.
Es ist schon beeindruckend, wie in dieser studentischen Arbeit zunächst einmal
das Thema der „lebensgrossen Visualisierung“ eines Gebäudes, welches 1593
gegen den Willen der Bevölkerung abgerissen worden ist im historischen Zentrum
von Biberach an der Riss, technisch und entwerferisch umgesetzt wird. Sinn
der Visualisierung ist, über die Simulation die Vergegenständlichung der realen
Ausmasse des verschwundenen Gebäudes an seinem historischen Platz im Masstab
1:1 darzustellen. Aus dem Modell entwickelt der Bearbeiter seine poetische
Idee der Gebäudesimulation zu einer sinnlichen, leichten, heiteren, fragilen und
unagressiven Umsetzung in eine temporäre Architektur aus Gerüsten, Kränen,
Stoffbahnen, die im Winde wehen, zeichnen die Umrisse des historischen Hauses
mit Satteldach am historischen Standort in der masstäblichen, ursprünglichen Form
und Kubatur präzise nach. Die Architektursimulation in realer Grösse löst bei den
Betrachtern einen bewusstseinsbildenden, durchaus partizipatorischen Prozess
aus, der zum Nachdenken über geschichtliche Ereignisse in der Stadtentwicklung
anregt. Die Simulation erlaubt in ihrer Leichtigkeit und schwebenden Eleganz eine
entspanntere Auseinandersetzung über das „was wäre wenn“ in der Diskussion über
Wiederaufbau, Rekonstruktion oder Neubau an historischen Orten in der Stadt, der
tuchumhüllte Raum wirkt dabei sinnlicher, überzeugender als eine harte Simulation
aus Pappe oder Sperrholz. Der Prozess wird weniger in der Entstehung der
Projektidee sichtbar, sondern vielmehr in der potentiellen Einwirkung auf Meinungen
und Entscheidungen für die Zukunft des Stadtgrundrisses von Biberach. Anregend,
die temporäre Installation in ihrer Leichtigkeit sowohl als Gedächtnisstütze als auch
als Antizipation einer Zukunft von Stadt sehen zu können. Ein schönes Projekt. Ein
würdiger erster Preis.
Lobende Erwähnung
Das Strahov Stadion in Prag
Christian Gansemer, Stuttgart
Der Ausgangspunkt für meine Bachelorarbeit im Wintersemester 14/15 war die Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2014 in Brasilien. Noch während der ersten Hälfte des Halbfinalspiels, fing ich an, mir Gedanken über die einzelnen Sportstätten in Brasilien zu machen. Kurz darauf stieg ich tiefer in meine Recherchen bezüglich dessen ein. Hierbei wurde schnell klar, dass die meisten Fußballstadien der vergangenen Weltmeisterschaften, grade in den Schwellen- und Entwicklungsländern unserer Gesellschaft leerstehen und die Länder im Grunde genommen deutlich mehr Geld kosten, als sie zu Zeiten der Sportveranstaltungen eingebracht hatten. Die Idee einer ‘Stadt in der Stadt’ erschien mir als die plausibelste Antwort auf die Frage, wie sich der homogene Nutzungscharakter dieser doch sehr temporär genutzten baulichen Strukturen in einen heterogen und dauerhaften Zustand verwandeln lassen kann, und so das Strahov Stadion erneut in bedeutungsvoller Weise in Prag zu manifestieren.
Begründung
Die FIFA wird gerade wegen erneuter Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe
von kurzfristig genutzten Grossbauten zur Fussballweltmeisterschaft in Katar
heftig angegriffen, Brasiliens teuer erstellte Fussballstadien stehen mitsamt der
Infrastruktur nach der Weltmeisterschaft bereits wieder ungenutzt leer und
verrotten, die Entscheidung über den Olympiastandort Hamburg 2024 wird
städteplanerisch und ökonomisch zur Zeit vorbereitet. Da kommt die Thematik der
Arbeit zur Umnutzung eines existierenden Grossbaues, dem Strahov Stadion in Prag,
genau richtig. Die Arbeit weist hin auf die Notwendigkeit, bei Grossbauten für den
Sport bereits im Konzept das Thema einer nachhaltigen Nutzung oder veränderbaren
Weiternutzung zu vertiefen. Dieses Thema hat inhaltlich eine grosse gesellschaftliche
und städtebauliche Relevanz und wird eine weitere, wichtige Architektenaufgabe
in Zukunft werden: Nachnutzung von Bauten für Grossereignisse. Der Prozess
der Nachnutzungsfindung ist umfassend und interessant dokumentiert. Weniger
überzeugend ist die Ausarbeitung und architektonische Umsetzung des Ergebnisses.
Sicher, eine Wohnungsnutzung in den vorhandenen Rängen des Prager Stadions
ist durch Ein- und Umbauten denkbar und durchaus sinnvoll, die Problematik von
Grossbauten in ihren monumentalen Freiraumproportionen wird im Kontrast zu dem
eher zurückhaltenden Wohnungmasstab besonders deutlich.
Das Ergebnis könnte da sicher noch vertieft ausgearbeitet werden.
Insgesamt würdigt die Jury die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema der
Nachhaltigkeit von grossen Sportbauten als einen wichtigen Beitrag im Wettbewerb.
Die Botschaft des Verfassers aus der Beschäftigung mit dem Thema ist, dass zukünftige Nutzungen
bereits in der Planung von Sportbauten zu implementieren und vorzudenken sind, um die
Bauten nachhaltig werden zu lassen. Dies wird mit einer Anerkennung gewürdigt.